Als der liebe Gott die Erzieherin schuf 
 
 

machte er bereits den sechsten Tag Überstunden.

Da erschien der Engel und sagte: "Herr, Ihr bastelt aber lange an dieser Figur!"
Der liebe Gott sprach: "Hast Du die speziellen Wünsche auf der Bestellung
gesehen? Sie soll pflegeleicht, aber nicht aus Plastik sein; sie soll 160
bewegliche Teile haben; sie soll Nerven wie Drahtseile haben und einen Schoß,
auf dem 10 Kinder gleichzeitig sitzen können, und trotzdem muss sie auf einem
Kinderstuhl Platz haben. Sie soll einen Rücken haben, auf dem sich alles abladen
lässt; und sie soll in einer überwiegend gebückten Haltung leben können. Ihr
Zuspruch soll alles heilen, von der Beule bis zum Seelenschmerz; und sie soll
sechs Paar Hände haben." Da schüttelte der Engel den Kopf und sagte: "Sechs Paar
Hände, das wird kaum gehen!" "Die Hände machen mir keine Kopfschmerzen", sagte
der liebe Gott, "aber die drei Paar Augen, die eine Erzieherin haben muss."
"Gehören die denn zum Standardmodell?" fragte der Engel. Der liebe Gott nickte:
"Ein Paar, das durch geschlossene Türen blickt, während sie Fragt: Was macht ihr
denn da drüben? - obwohl sie es längst weiß. Ein zweites Paar im Hinterkopf, mit
dem sie sieht, was sie nicht sehen soll, aber wissen muss. Und natürlich noch
die Augen hier vorn, aus denen sie ein Kind ansehen kann, das sich unmöglich
benimmt, und die trotzdem sagen: Ich verstehe dich und hab dich sehr lieb - ohne
dass sie ein einziges Wort spricht."


"O Herr!" sagte der Engel und zupfte ihn leise am Ärmel, "geht schlafen und
macht morgen weiter."

"Ich kann nicht", sagte der liebe Gott, denn ich bin nahe
daran etwas zu schaffen, was mir einigermaßen ähnelt. Ich habe bereits
geschafft, dass sie sich selbst heilt, wenn sie krank ist; dass sie 30 Kinder
mit einem winzigen Geburtstagskuchen zufrieden stellt; dass sie einen
Sechsjährigen dazu bringen kann, sich vor dem Essen die Hände zu waschen; einen
Dreijährigen davon überzeugt, dass Knete nicht essbar ist und übermitteln kann,
dass Füße überwiegend zum Laufen und nicht zum Treten von mir gedacht waren."

Der Engel ging langsam um das Modell der Erzieherin herum. "Zu weich", seufzte
er. "Aber zäh", sagte der liebe Gott energisch. "Du glaubst gar nicht, was die
Erzieherin alles leisten und aushalten kann!" "Kann sie denken?" "Nicht nur
denken, sondern sogar urteilen und Kompromisse schließen" sagte der liebe Gott,
"und vergessen!" Schließlich beugte sich der Engel vor und fuhr mit einem Finger
über die Wange des Modells. "Da ist ein Leck", sagte er. "Ich habe Euch ja
gesagt, Ihr versucht zuviel in das Modell hineinzupacken." "Das ist kein Leck",
sagte der liebe Gott, "das ist eine Träne."  "Wofür ist sie?" "Sie fließt bei
Freude, Trauer, Enttäuschung, Schmerz und Verlassenheit." "Ihr seid ein Genie",
sagte der Engel.
Da blickte der liebe Gott versonnen: "Die Träne", sagte er "ist das
Überlaufventil!"